Ein Freitagabend im Oktober, das typische Offenburger Herbstwetter. Die Stadt hüllt sich in dichten Nebel. Ich fahre mit dem Rad und der Kamera los, um ein paar Bilder zu machen. Da fällt mir das Stud ein, unsere Nachbarn. Die wollte ich doch mal für das Quartiersprojekt interviewen. Auf dem Heimweg fahre ich mal vorbei. Es ist sogar schon jemand da. Mir fällt ein, dass ich nicht mal Geld dabei habe, um ein Bier zu bestellen. Egal. Trotzdem mal reinschauen. Ich treffe Leon und David, die heute Abend den Laden schmeißen. Es ist wohl wenig los, weil am nächsten Abend ein Konzert ist, erklären sie mir. Ich erzähle von unserem Projekt, sie erzählen mir vom Stud.
Es ist mehr als eine Kneipe. Seine Geschichte geht zurück bis in die 60er Jahre. Heute ist es ein gemeinnütziger Verein, dessen Zweck die Förderung der Jugend- und Musikkultur ist. Es gibt Konzerte mit freiem Eintritt und studentenfreundliche Getränkepreise. Seit 2006 betreibt der Verein die Kneipe weiter, nachdem das Gebäude, das sie bis dahin beherbergte, verkauft worden war. Der Thekendienst ist ehrenamtlich. Wir trinken ein Bier auf gute Nachbarschaft. Ich mache ein paar Fotos und überlege, zu einem Konzert nochmal vorbeizukommen. Leon erzählt, dass er auch fotografiert, vorwiegend bei Konzerten. Er kommt aus Zell-Weierbach, ist Jahrgang 1996.
„Zum Stud bin ich 2012 gekommen. Ich hab mich sofort in den Laden verliebt, vermutlich wegen der urigen Ausstattung und dem offenen Umgang. Zwei Jahre später hab ich dann wenige Tage nach meinem 18. Geburtstag meinen ersten Thekendienst gemacht und bin seitdem dabei geblieben. Ich bin aktiv bei der Organisation und Durchführung von Veranstaltungen, z.B. auch im Schlachthof, wo wir häufig die Getränkebewirtung übernehmen. Seit 2022 darf ich auch als Schriftführer im Vorstand den Verein mitlenken.
Was ich am Quartier mag, sind die Begegnungen auf Augenhöhe. Wenn jemand ins Stud kommt, fiele es mir kaum ein, die Person zu siezen, außer es ist Bürgermeister Kopp, der uns zum 10-jährigen Jubiläum 2016 besucht hat. Schön finde ich auch, dass uns mit den Entwicklungen auf dem Schlachthofgelände Möglichkeiten geboten werden, ein breiteres Publikum zu erschließen. Darüber hinaus war es auch in den ganzen Jahren immer schön, in den Laden zu kommen und neue und alte Gesichter vor und hinter der Theke zu sehen.
Bei Veranstaltungen wie jüngst dieses Jahr, bei denen wir die Nachbarschaft aus dem Neubaugebiet nachmittags zum Kennenlernen eingeladen haben, kommen auch immer wieder neue Menschen aus allen gesellschaftlichen und sozialen Schichten zusammen, die den Verein und das Quartier auf ihre Weise bereichern. Solche Begegnungen werden hoffentlich auch in Zukunft im Stud stattfinden können, wenn sich das Quartier weiterentwickelt.
Es ist gut, dass wir sowohl von städtischer Verwaltungsseite als auch von der kulturschaffenden Szene ernst genommen werden und wir so seit über anderthalb Jahrzehnten im Stud mehr als nur Kneipenalltag bieten können. Das kam uns bei Fördermaßnahmen seit Pandemiebeginn zugute. Wir konnten z.B. Plattenspieler anschaffen, die wir bei Aftershowpartys oder Plattenabenden nutzen.“
Wir machen noch ein paar Fotos. Ich verabschiede mich und freue mich schon, die Jungs und Mädels vom Stud, also unsere Nachbarn (der Vereinsraum der Fotoamateure ist ebenfalls auf dem Schlachthof-Gelände), bei Gelegenheit mal wieder zu treffen.
Zwei Wochen später…
Ich erinnere mich, dass Leon von einer Band erzählt hat, die aus meiner Heimat Ostwestfalen kommt. Das ist doch die Gelegenheit für die Konzertfotos! Im Backstage-Bereich des Konzertraums im Stud treffe ich Andrey und Chris und will natürlich erst mal wissen, wie sie nach Offenburg gekommen sind. Andrey erzählt:
„2014 war für ein geplantes Konzert im Stud eine Band ausgefallen und es wurde über das Internet Ersatz gesucht. Meine damalige Band IN SANITY hat sich beworben. Allerdings hatten wir Offenburg zuerst mit Offenbach verwechselt, was ja deutlich näher an Paderborn liegt. Aber zugesagt ist zugesagt, also sind wir hingefahren. Daraus hat sich eine Freundschaft entwickelt und ich bin immer wieder gerne hier. Wir haben weitere Konzerte mit IN SANITY gespielt, 2016 war ich dann zum ersten Mal mit VOSTOK IMPORT hier, damals noch in der ersten Besetzung. Ich habe auch schon mal meinen Geburtstag im Stud gefeiert, da habe ich an einem Abend mit den beiden Bands gespielt.“
Das Konzert geht los. Die Jungs geben Gas und rocken die Hütte. Mit sozialkritischen Texten auf Englisch, Deutsch und Russisch, in denen sie sich u.a. gegen den Krieg aussprechen. Das trifft den Nerv der Zeit und das Publikum ist begeistert. So geht’s wohl öfter ab hier, mitten im Quartier.